V. Zwischenbericht – 5 Monate auf dem Boot
150 Tage Leben wir nun auf dem Boot. Jetzt ist es schon so lange, dass man auch einfach von 5 Monaten reden kann… Also: 5 Monate auf dem Boot. Wahnsinn! Ich glaube das Wort wiederholt sich in meinen Zwischenberichten. Vermutlich weil ich es selber gar nicht glauben kann, wie lange wir schon auf einem Boot leben. Auf einem kleinen Boot. Auf 10 Quadratmetern. Auch das habe ich wahrscheinlich schon mal erwähnt. Das ist nicht groß und so langsam vermiss ich dann doch ein wenig unser Bett zu Hause. Hier auf dem Boot ist unser Bett eher unbequem geworden. Das mag daran liegen, dass das Mini immer größer wird und immer weniger bereitwillig ist in ihrem eigenen Bett zu schlafen. Da es mir in der Nacht zu anstrengend wird sie immer wieder raus und wieder rein zu heben, schläft sie also mit uns in einem Bett von 120 m Breite. Und das ist gar nicht mal so bequem. Manchmal ist es sogar extrem unbequem …und eng.
Ja, eng ist so ein Wort, das sich hier durchzieht. Es kann sehr eng werden auf einem Boot. Meine Schwiegermutter hat das Bootsleben so hübsch mit dem Getümmel der Vögel auf der Langen Anna auf Helgoland verglichen. Der Vergleich ist tatsächlich sehr treffend. Man tritt sich immer wieder mal auf die Füße, vor allem unser Mini tritt ganz ordentlich auf uns herum. Seit eineinhalb Monaten krabbelt und klettert sie was das Zeug hält und wir sind permanent dabei sie davon abzuhalten irgendwo abzustürzen. Das tut man in einem Haus auch, aber die „Sicherheitszonen“ sind etwas ausgedehnter als hier. Hier beschränkt sich die Sicherheitszone auf den schmalen Durchgang im Salon und dem Cockpit. Auch nur unten im Cockpit wohlbemerkt. Von der Cockpit-Bank ist sie schon einmal runtergefallen (es ist zum Glück nichts weiter passiert) und wenn sie auf der Bank ist dann will sie auch immer gleich höher hinaus und klettert was das Zeug hält.
Wir können es allerdings verstehen. Sie möchte halt den Meerblick haben. Einmal oben angekommen ist sie ein quietschvergnügtes Baby, das richtige Tanzmoves hinlegt und vor Freude schreit. Etwas mehr Platz für die Tänze, die Klettereskapaden und die Erkundung der Welt wären dennoch nicht schlecht. Allerdings ist die Erkundung der Welt vom Boot aus schon ein ganz guter Start. Vom Wohnzimmer aus ist die Perspektive doch stark eingeschränkt.
Wir haben unsere Perspektive vor kurzem mal verändert und sind 2 Tage in eine Hotelsuite auf Mallorca gezogen. Ich kann behaupten: Das Bootsleben ist auch ein komplett anderes, als das „Halbpension“-Hotelleben am Pool. So ein Bootsleben ist viel anstrengender. Frühstück muss man selber machen, Betten muss man selber machen, kein Service am Pool, Einkaufen muss man selber gehen, Abendessen muss man auch wieder selber machen und Kinderbespaßung gibt es auf der Tine auch nur, wenn wir selbst zu Animateuren werden. Also: Alles muss man selber machen!
Dafür fiel uns nach unserem Hotelexkurs umso deutlicher auf, was wahrerer Luxus eigentlich ist. Wahrer Luxus ist eben nicht sich den Pool mit ganz vielen anderen Deutschen zu teilen oder sich in riesige Räumlichkeiten zu begeben, um von überfüllten Buffets alles zu probieren, was man in sich hineinschaufeln kann (keine Wertung, haben wir auch so gemacht), um nach einer Woche mehr zu wiegen, als nach Weihnachten und Sylvester zusammen. Im Anschluss muss man sich Anstellen, um seine Getränkerechnung zu bezahlen… mit allen anderen zusammen. Das hat alles seine Vorteile in einer großen Hotelanlage, vor allem mit Kindern.
Trotzdem. Wahrer Luxus ist es am Abend in einer ruhigen Bucht zu liegen und den Sonnenuntergang während des Abendessens zu genießen ohne um den schönsten Platz kämpfen zu müssen. Und wenn man morgens aufwacht nicht daran zu denken, wie lange noch das Frühstück serviert wird, weil man das ja auf keinen Fall verpassen möchte, wenn man schon dafür gezahlt hat, sondern einfach sofort vom Boot ins Wasser zu springen. Dafür muss man nicht mal die Tür hinter sich zuziehen! Und an die Chipkarte muss man auch nicht denken…
Die Steigerung von Luxus ist der einzig wahre Luxus: zu Segeln ohne Zeitlimit! Wir haben viele Leute auf unserem Weg getroffen: Langzeitsegler, Dauersegler, Leute, die Dauerhaft auf dem Boot leben aber nicht segeln, ein anderes Paar mit Kind, das ebenfalls die Elternzeit nutzte… Alle hatten mehr Zeit als wir! Nicht viele sind so viel und so weit gesegelt wie wir. Wir haben uns auch wirklich ein ambitioniertes Ziel gesetzt! Nicht falsch verstehen, wir sind absolut glücklich über unsere Reise. Natürlich vergleicht man sich mal und schaut, was hätte man anders oder besser machen können. Aber im Großen und Ganzen, bin ich absolut glücklich über das was wir erleben und bis jetzt gesehen haben. Allerdings wäre die gleiche Reise mit noch mehr Zeit noch toller. Wenn man einfach so lange bleiben könnte wie man möchte… vermutlich wären wir dann gerademal in Galizien oder noch in Holland? Man weiß es nicht genau.
Jedenfalls beneiden wir alle, die sich diesen Traum erfüllen können und freuen uns sehr für sie. Es ist eine tolle Erfahrung und wirklich und wahrhaftiger, unbezahlbarer Luxus (obwohl man sich das vor allem erstmal leisten können muss)! Segel setzten und los… mal schauen wie weit man bis wann kommt. Das wird hoffentlich auch bei uns mal möglich sein. Bis dahin können wir uns aber wirklich nicht beschweren, sondern nutzen die letzten 2 Monate in vollen Zügen aus. Die 2400 Seemeilen kann uns keiner nehmen und das bis jetzt erlebte schon gar nicht!
4 Kommentare
Zoé
sehr schöner Bericht. Ich freue mich auf den Luxus wieder Zeit mit euch zu verbringen ?
Julie
🙂 Darauf freuen wir uns auch! Wir denken aber auch gerne an deinen Besuch in Málaga. Der nächste Bericht ist mit dir 😉
M. & M
Hallo liebe Crew der Tine,
Danke das wir Euch weiterhin begleiten dürfen. Ihr macht das toll. Ja, es ist wirklich der wahre Luxus einfach mit dem Boot loszufahren und zu schauen wo es einen hinverschlägt. Wir könne es sehr gut nachvollziehen wie es ist den Sonnenuntergang vom eigenen Boot bei einem Glas Wein zu erleben und morgens nach dem Aufstehen ein Bad im Meer zu nehmen. Auch für den Sonnenaufgang bin ich schon mal extra aufgestanden, ein Erlebnis der besonderen Art.
Euer Bericht spricht uns aus dem Herzen. Leider müssen wir noch arbeiten, versuchen uns aber dennoch alle Freiräume zu nehmen die sich nur irgendwie finden lassen. Ihr macht es genau richtig! Lebt Euren Traum. Der Alltag hat einen schnell wieder, ist man erstmal wieder daheim angekommen. Aber was bleibt sind genau diese Augenblicke der Stille und der Sonnenuntergänge die einem die Kraft geben durchzuhalten bis es wieder heißt: „Leinen los!“
-Euch weiterhin immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel und passt gut auf Euch auf.
Julie
Ihr lieben M & M,
vielen Dank für den netten Kommentar und das schöne Feedback. Ich hoffe wir haben mal die Gelegenheit zusammen die „Leinen loszulassen“, auf Elba, Sardinien oder anders wo. Alltag wollen wir uns gerade noch gar nicht vorstellen, aber wir glauben euch, dass der einen schnell wieder einholt. Verrückt wie schnell doch die Zeit vergeht…
Bis dahin genießen wir die Sonnenauf- und untergänge und freuen uns auf die nächsten Etappen! Seid umarmt