Ich segel also denk ich

I. Zwischenbericht nach vier Wochen

Neben der hohen Konzentration, die man beim Segeln an den Tag legen muss, um Segel, Wind und Kurs im Blick zu behalten, bietet das Segeln eine ganze Menge Spielraum zum Denken…

Zwischenbilanz nach vier Wochen auf dem Boot: Das Grundprinzip vom Segeln habe ich jetzt schon mal verstanden: möglichst nirgendwo gegen fahren! Weder gegen Bojen noch gegen andere Schiffe. Auch das Land ist zu vermeiden, dass mögen Schiffe nicht. Das läuft schon mal…fast… außer den Poller im Hafen von Den Helder, habe ich bisher noch nichts gerammt. (Insider für Flizzy: Poller anbumsen ist weniger lustig als Twingos).

Außerdem habe ich festgestellt: hart am Wind zu segeln, ist quasi halbgeduscht! Tiere die man beim Segeln beobachten kann sind auch toller, als wenn man keine Tiere sieht, außerdem bieten sie ausgezeichnete Beschäftigung für die Große. „Ich sehe was, was du nicht siehst“ wird auf Dauer langweilig. In Holland funkt man außerdem viel netter als in Deutschland, deutsche Küstenfunkstellen sind etwas spießig. Und was vorher schon klar war, keiner funkt so wie man es lernt! Zudem kann ich gleichzeitig segeln und stillen, ich bin dafür das man mich ab jetzt „Super Sailor Mom“ nennt 😉

Weitere Erkenntnisse: schönes Wetter ist besser als schlechtes Wetter! Oder anders ausgedrückt: Segeln bei schönem Wetter mit Sonne macht mehr Spaß als bei Kälte, Regen und Schnee. Zudem kriegt man auch Sonnenbrand, wenn die Sonne gar nicht scheint. Und mit Salzwasser geduscht, macht auch nicht wirklich sauber!

Körperlich gesehen, ist alles etwas aufwendiger: Man muss das Wasser erstmal pumpen bevor es rauskommt und die Toilettenspülung erfordert auch mehr Kraft. Man hat andauernd blaue Flecken an den Beinen, entweder weil man sich andauernd stößt oder weil man die Pinne zusätzlich mit den Beinen steuern muss, um die Kraft aufzubringen. Dafür ist warm duschen immer ein Highlight, erst recht, wenn es unbegrenzt möglich ist. Ich liebe Marinas mit unbegrenztem warmem Wasser. Ich habe aber auch festgestellt, dass man in vier Minuten Duschen und Haare waschen inkl. Spülung umsetzen kann. Waschmaschinen und Wäschetrockner in Häfen sind gewöhnungsbedürftig, aber machen die Wäsche auch sauber. Dabei ist festzustellen weniger zahlen ist cooler als viel dafür zahlen zu müssen!

Weitere große Erkenntnis: Vorkochen ist besser als während des Segelns kochen zu müssen. Bekocht zu werden ist noch besser als selber kochen (In Holland kann man sich wirklich gut bekochen lassen).

Zusätzlich stellte ich fest, dass Sonnenauf- und Sonnenuntergänge sind in Realität noch kitschiger, als wenn man sie malen könnte und trotzdem immer malerisch schön. Und unabhängig davon wie der Segeltörn war, ist es auch immer schön und aufregend einen neuen Hafen anzulaufen. Anlegen ist immer aufregend, nicht nur für uns, dass sieht man auch regelmäßig bei allen anderen.

Wir haben bisher knapp 450 Seemeilen geschafft. Das Wetter war eher mäßig schön und kann nur besser werden. Dafür das es so kalt war, wir uns eingewöhnen mussten und Mini bisher ausschließlich gestillt wurde, lief es sehr sehr gut .Die Große war ein- oder zweimal Seekrank, mir war öfter übel aber Seekrank war ich nicht und Mini fand alles gut, solange sie bei mir vorgeschnallt war. Obwohl wir auf so engem Raum aufeinander hocken, haben wir uns alle lieb und genießen die Zeit zusammen. Ich habe das Gefühl, wir können die Zeit besser genießen, als wenn wir zuhause sind. Ich kann nicht behaupten, dass ich es schaffe „im Augenblick“ zu leben, aber es klappt schon viel besser und immer öfter. Wir haben ja noch knapp sechs Monate, eine Steigerung ist also noch möglich.

Größtes Problem auf dem Boot: man hat andauernd Krümel und Sand im Bett! Ob ich dieses Problem überwinde, weiß ich noch nicht. Ich kann auf einigen Komfort verzichten, aber in diesem Punkt bleibe ich die Prinzessin auf der Erbse (wie Fiete mich liebevoll nennt). Ich schüttele jetzt jeden Abend das Laken aus, vielleicht wird es so gehen. Ansonsten denke ich, machen wir erstmal so weiter…

5 Kommentare

  • Henning

    Hallo ihr Lieben,
    langsam werde ich neidisch!! Ich kann mich gut in eure Erlebnisse hineinversetzen. Aber alles hat seine Zeit. Meine Zeit ist jetzt: Beine hoch, Pfeife und Rotwein. Auch nicht schlecht.
    Eure Erfahrungen mit der deutschen Küstenfunkstelle decken sich mit meinen Erinnerungen. Auf Kanal 16 ging nichts. Dafür war’s auf 72 immer lustig. Beispiel: “ Bin in 30 Minuten da, setz die Kartoffeln auf.“
    „Höllentrips“ kenne ich nicht. Es gibt nur „Rauschefahrten“. Ich freue mich sehr, dass ihr soviel gemeinsame Erlebnisse euer eigen nennen könnt. Ihr werdet für euer ganzes Leben davon zehren. Na, dann warte ich auf den nächsten Bericht.
    Henning

    • Julie

      Es ist irre wie viele Eindrücke man gewinnt. Manchmal weiß ich am nächsten Tag schon nicht mehr was am Tag davor alles passiert ist… du hast bestimmt recht, wir werden immer an diesen tollen Urlaub denken. Die Große bestimmt auch!

  • Marion Schmelzer

    Hallo Ihr Lieben
    tolle Berichte die Ihr da schreibt. Wir sind jedenfalls ganz fasziniert und freuen uns auf weiteres. Hans-Jörg und ich, wir wünschen Euch weiterhin eine schöne Zeit.
    Hans-Jörg lebt noch heute in den Erinnerungen der Segeltouren mit Dir Fiete und den anderen.
    Wir freuen uns auf Euren nächsten Bericht.
    Marion und Hans-Jörg

  • Julie

    Vielen lieben Dank. Da freuen wir uns sehr, wenn ihr uns folgt. Fiete erinnert sich immer gern an die schönen gemeinsamen Urlaube. Beste Grüße, Fiete & Julie

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