11. Die berüchtigte Biskaya
Wir waren in der Bretagne in Camarte-sur-mer geblieben, um ein geeignetes Wetterfenster für die Überquerung der Biskaya abzuwarten. Je nach Wind- und Wetterlage wollten wir noch weiter süd-westlich segeln, eventuell noch bis zur Île de Seine. Beim Studieren diverser Biskayaberichte, hatten wir gelesen, dass es empfehlenswert ist weit westlich zu starten, da die Wellen das Boot in Richtung der Küste treiben und man Gefahr läuft zu weit in die Bucht von Biskaya abzudriften. Aus der Bucht rauszukommen, heißt meistens gegen den vorherrschenden Westwind und gegen die Wellen anzusegeln. Das heißt es lag absolut in unserem Interesse einen westlichen Kurs einzuschlagen.
Wir hatten im Vorhinein einige Zweifel, ob wir die Biskaya zu viert überqueren könnten, vor allem weil die Große und ich immer wieder mal Seekrank waren. Wir hatten Sorge, dass das auf der Biskaya drei Tage so gehen würde. Deshalb hatten wir diverse andere Möglichkeiten in Betracht gezogen:
- Ich könnte mit den Kindern von Frankreich aus den Zug nehmen, um nach Spanien zu fahren und Fiete würde die Biskaya allein überqueren
- Ich könnte den Zug nehmen und Fiete versuchte jemanden anderen zu finden, der mit ihm die Biskaya überquerte
- Zurücksegeln und doch eine Grachtentour durch Holland mache
Keine dieser Möglichkeiten gefiel uns so wirklich. Außerdem war das ja unser Abenteuer, daher wollten wir das auch zusammen erleben. Von einer weiteren Segelfamilie, der Serenity, hatten wir gelesen, dass sie die Biskaya auch mit ihren beiden Kindern überquert hatten und trotz kotzender Kinder gut durchgekommen sind. Das ermutigte uns und wir beschlossen, dass dieses Abenteuer zusammen weiter gehen sollte. Wir bereiteten uns eben entsprechend etwas mehr auf den Fall vor seekrank zu werden. Für mich und die Große hatte ich ein homöopathisches Mittel gegen Reiseübelkeit besorgt, die Wäsche war gewaschen – so dass genug Wechselwäsche da war – und das Boot war mit Diesel und Wasser vollgetankt. Und plötzlich tat sich das Wetterfenster auf. Sonntagabend, als wir von Brest zurück nach Camaret kamen, sah es plötzlich so aus, als könnten wir Dienstag los. Das war etwas früher als gedacht, passte aber trotzdem gut. So hatten wir noch den Montag, um letzte Einkäufe zu machen und vorzukochen. Dann würden wir eben nicht bis zur Île de Sein segeln, war auch egal. Wir wollten endlich in den Süden. Wir wollten das große Wagnis der Biskayaüberquerung beginnen und hinter uns bringen. Es schwebte wie ein Dickes „To-Do“ über uns.
Das Wetterfenster war ideal. Circa drei Wochen lang, hatten wir immer wieder geschaut, ob sich etwas geeignetes auftuen würde. Meistens war aber zu viel Wind oder vor Irland gab es die Tage zuvor Sturm, was zu großen Wellen auf der Biskaya führte und somit auch nicht passend für uns war. Zum Glück habe ich einen Mann, der sich gut mit Wind und Wellen auskennt und die Situation genau beobachtete.
Den Montag, den 17.06.2019, nutzten wir also noch zum Vorbereiten. Am Nachmittag waren zwei Gerichte und diverse Snacks fertig vorbereitet. Wir versuchten die empfohlene Entspannung vorab herbei zu beschwören, allerdings hatten wir am Abend stark das Gefühl, dass das eine Empfehlung von kinderlosen Seglern ist. Dennoch, der Versuch war da. Ich traute mich am Nachmittag sogar nochmal vom Boot aus ins bretonische Wasser. Yeah, ich hatte es endlich geschafft im Meer baden zu gehen. Zugegeben es war frisch… sehr frisch, aber es war trotzdem toll. Die Große wollte nicht mitbaden, es war ihr zu kalt, dafür tobte sie sich nochmal ordentlich am Strand aus. Wir versuchten also entspannt und früh in unserer Ankerbucht einzuschlafen. Richtig früh gelang es uns nicht, da der Wind am Abend gedreht hatte und uns somit ordentlich hin- und herschaukelte. Um 4 Uhr früh waren wir dann beide wach, weil es sehr laut war. Fiete kletterte raus und betrieb Geräuschanalyse, um dann noch mal ein paar Leinen festzumachen. Der Krach hörte auf und wir schafften es wieder einzuschlafen. Um 6:20 Uhr ging dann der Ankeralarm los. Dann waren wir wirklich wach. Erholsame Nächte sind anders. Es regnete und es gab 20 bis 24 Knoten Wind pro Sekunde… so hatten wir uns den Start eigentlich nicht vorgestellt. Machte aber nichts. Erstmal frühstücken und Kaffee trinken. Dann ging es um 7:48 Uhr, am 18.06.2019, los. Zum Glück beruhigten sich sowohl Regen als auch Wind relativ schnell wieder und wir segelten an der wirklich sehr schönen bretonischen Küste entlang. Wie verabschiedeten uns von Frankreich und vom Handyempfang. Nach kurzer Zeit gab es dann gar keinen Wind mehr. #irgendwasistjaimmer.
Wir mussten also nach ungefähr anderthalb Stunden den Motor anschmeißen, um nicht erst in 8 Tagen in Spanien anzukommen. Den Windpiloten konnten wir vorher noch mal kurz testen. Es sah so aus als würde er bei Wind ganz gut funktionieren. Die ersten zwei Stunden und 44 Minuten klappten schon mal ganz gut. Leider hielt der Windmangel konstant an und wir motorten ganz schön lange. Naja, besser zu wenig Wind als riesengroße Wellen. Unserer Stimmung tat das erstmal keinen Abbruch. Gegen 16 Uhr konnten wir wieder Segel setzen und freuten uns. 16:30 Uhr Motor wieder an. Die Ruhe war so schön gewesen. Aber kurz nachdem der Motor an war, sichteten wir unsere ersten Delfine. Wir waren begeistert! Fiete bereitete seine GoPro vor, um beim nächsten Delfinbesuch auch unter Wasser filmen zu können. Um 18:55 Uhr war es dann soweit, die Delfine waren wieder da. Fiete hielt die GoPro ins Wasser und… der Bootshaken an dem er sie befestigt hatte brach. Die GoPro schwamm davon. Wir versuchten noch ein GoPro-über-Bord-Rettungsmanöver, leider scheiterte dies kläglich. Die GoPro war weg. Zitat vom Logbucheintrag des Kapitäns: „18:55 Uhr Delfine gesichtet, yeah! GoPro verloren, fuck!“ Wenigstens war es die „alte“ GoPro und nicht die neuere Version. Trotzdem schade.
Beim nächsten Delfinbesuch gegen 21 Uhr hatten wir dann aber richtig Glück. Es war eine ganze Delfinschule, die uns 10-15 Minuten lange begleitete. Es war atemberaubend schön. Wir waren völlig überwältigt von der Schönheit dieser Tiere und genossen das Schauspiel vor dem Bug sehr. Gegen 21:45 Uhr konnten wir dann auch endlich wieder Segel setzen und Fiete und die Große gingen schlafen. Ich machte mich bereit für meine erste Nachtschicht. Ich war etwas aufgeregt wegen dem Moment, wenn wir auf das Kontinalschelf treffen würden. Das Kontinentalschelf ist das aufeinanderprallend der Kontinentalplatten unter Wasser. Von 200 Metern geht es plötzlich auf 4000 Meter Wassertiefe runter. Das sorgt dafür, dass die Wassermassen abgebremst werden und sich stauen. Es können sich somit sehr steile, hohe Wellen bilden. Wir hatten gelesen und gehört, dass man diesen Unterschied deutlich merkt. Bis zum Abend waren wir erst bei circa 200-300 Meter Wassertiefe (bei der Gelgenheit stellten wir dann auch mal fest das unser Echolot bis 150 Meter Wassertiefe misst), aber mitten in der Nacht sollten wir das Kontinentalschelf erreichen. Gegen 23 Uhr mussten wir den Motor leider wieder anschmeißen. Seitdem wir losgefahren waren hatten wir ein Problem mit unserer Starterbatterie, weswegen der Motor nur noch ansprang, wenn Fiete die beiden Batterien zusammenschloss. Das heißt ich allein konnte den Motor nicht mehr starten. Ich musste ihn also leider wecken, um den Motor wieder zum Laufen zu bekommen. Wir bereuten etwas, dass wir keinen Spinnaker hatten. Damit hätten wir vermutlich noch weiter segeln können.
Ich betrachtete den sich verdunkelnden Himmel, leider ohne schönen Sonnenuntergang, es war zu bewölkt. Um 23:51 Uhr war es dann echt zappen duster. Es war ein komisches Gefühl sich auf dieser schwarzen Masse fortzubewegen. Ganz weit hinten am Horizont erkannte ich noch die Lichter von einem Frachter, ansonsten erkannte man nur noch die Horizontlinie und die dunklen Wolken über uns. Es war so bewölkt, das weder Mond noch Sterne zu sehen waren. Es war schon unheimlich diese Dunkelheit um uns herum, in welcher wir uns fortbewegten. Die Vorstellung davon was da alles unter einem sein könnte… was für ein komisches Gefühl. Die Dunkelheit war gleichermaßen faszinierend wie beängstigend. Es kam mir vor als würde ich träumen.
Nachdem ich mich eine Weile an die Dunkelheit gewöhnt hatte, entschied ich dass es schön ist. Dann sah ich ein Gewitter in der Ferne. Es blitze mehrmals, zum Glück konnte ich aber keinen Donner hören. Trotzdem machte mir das Sorgen, nicht dass das Gewitter noch über uns ziehen würde. Es war ja immerhin nicht ersichtlich was da vor uns kam. Der Himmel war zu dunkel um ein eventuelles Gewitter oder einen Squall zu erkennen. Daher weckte ich Fiete gegen 1 Uhr, um das Groß runter zu nehmen,dass wir trotz Motorfahrt noch draußen hatten, um das bisschen Wind das es gab noch mitzunehmen. Alleine konnte ich das nicht machen, da ich das Mini umgeschnallt hatte. Zum Glück war er auch der Meinung es wäre besser das Groß runterzunehmen, ich hatte ihn somit nicht umsonst geweckt. Da er nun wach war, legte ich mich mit Mini schlafen. Ich wachte ein paar Mal auf und fragte Fiete, ob ich wieder übernehmen sollte, aber er hielt bis 7 Uhr durch und erst dann tauschten wir erneut die Rollen. Fiete hatte in der Nacht ganz leicht fluoreszierendes Licht gesehen und erneut ein paar Delfine. Ansonsten hatte er das Groß noch mal aus – und wieder eingepackt, da ganz kurz Wind aufgekommen war. Leider nicht lang genug. Das Ergebnis war, dass wir nun bestimmt schon 21 von 24 Stunden unter Motor fuhren.
Nach 24 Stunden auf der Biskaya
Nach 24 Stunden hatten wir 130 Seemeilen, also knapp ein Drittel, geschafft. Am Morgen sah ich auch nochmal Delfine, was wieder sehr schön war. Das Kontinentalschelf hatten wir mittlerweile auch überwunden, das heißt wir hatten jetzt 4000 Meter Wasser unter uns. Tatsächlich bemerkte man einen Unterschied. Wie der Segler Raz, den wir in Muxia kennenlernten, in seinem Bericht schön beschrieb: es gab plötzlich eine Welle „vom linken zum rechten Horizont“.
Ich merkte allerdings schon, dass der zweite Tag etwas anstrengender war. Gegen 11 Uhr stand Fiete dann auf. Wir mussten leider noch eine ganze Weile motoren, aber am Nachmittag konnten wir endlich wieder Segel setzen. Mit den Segeln und dem damit in Verbindung stehendem Wind wurde es auch gleich etwas schaukliger auf dem Boot. Bisher hatte ich mich ohne Probleme unter Deck aufhalten und das Abendessen zubereiten können, was sehr angenehm war. Jetzt wurde es etwas kritischer. Aber es hielt sich alles noch im Rahmen. Die Große hatte sich am ersten Tag nachmittags übergegeben, nachdem sie ein Stück Apfel gegessen hatte, aber auch das hatte sich zum Glück schnell wieder gelegt. Ich hatte den Eindruck, dass das homöopathisches Reisemedikament gegen die Übelkeit half. Zumindest war ich sicher, dass wenn ich fest daran glaubte es gleich viel besser half. Gegen 16:30 Uhr erreichten wir dann die Halbzeit: 172 Meilen waren geschafft!
Mini war an diesem zweiten Tag etwas unruhiger, schätzungsweise fehlte ihr etwas Bewegung. Seit ungefähr einer Woche versuchte sie zu krabbeln indem sie sich immer wieder auf die Knie oder in den Liegestütze begab. Das ist während der Fahrt bei Wellen natürlich nicht möglich. Die Große machte uns etwas Sorgen, weil sie sehr schlecht aß, allerdings war sie erstaunlich genügsam mit ihrem MP3-Player. Seitdem wir losgefahren waren, hörte sie fast den ganzen Tag, Geschichten von Bibi und Tina. Lieben Dank an die Tanten für die umfangreiche Geschichtensammlung! Am Nachmittag gab ich Mini mal an Fiete ab, um mich etwas freier bewegen zu können. Meine Schulter merkten die Last des andauernden Tragens von Mini schon deutlich. Ich kletterte zu meinem Liebeingsplatz: der Bugspitze. Es ist der schönste Ort auf einem Boot. Es kommt einem vor als würde man fliegen. Alle die Titanic gesehen haben, wissen wovon ich rede.
Ich saß schon oft dort vorne, aber mit der Gewissheit 4800 Meter Wassertiefe unter sich zu haben, war es doch noch beeindruckender. Es kam wieder das komische Gefühl aus der Nacht in mir auf, wenn ich mir vorstellte was da alles unter mir sein könnte.
Um 19:30 Uhr legten sich Fiete und die Große wieder schlafen. Meine zweite Nachtschicht mit Mini begann. Sie war recht aufgekratzt, weswegen wir bis 21 Uhr spielten. Erst dann lies sie sich einpacken und schlief in der Babytrage ein. Um 22:10 Uhr begann dann das Schauspiel eines wundervollen Sonnenuntergangs. Was Tags zuvor gefehlt hatte, glich das heutige Farbenspiel des Himmels ohne weiteres aus. Um 23:30 Uhr konnte ich noch immer letzte Sonnenstrahlen sehen. Selbst als die Sonne vollständig untergangen war, war es in der zweiten Nacht noch so hell, dass man einiges sehen konnte. Im Osten leuchteten bereits die ersten Sterne. Es versprach eine wunderschöne Nacht zu werden.
Als dann um 0:37 Uhr der gold leuchtende Mond aufging, hätte ich Mutternatur am liebsten applaudiert vor Begeisterung. Die Sterne leuchteten überall um mich herum, so viele Sterne habe ich selten gesehen. Ich dachte erst mir würde vielleicht langweilig werden, aber ich war so fasziniert, dass ich einfach nur gucken und die Schönheitdieser Nacht genießen konnte. Bis 2 Uhr morgens hielt ich wache, dann wurde ich zu müde und weckte Fiete. Immerhin hatte er knappe 6 Stunden geschlafen, das war eine gute Aufteilung. Der Wind war standhaft geblieben. Wir waren nicht schnell, aber es war ein sehr schönes Segeln mit achterlichem Wind. Der Windpilot machte seine Sache gut. Als Fiete um 2:15 Uhr übernahm ging der Wind leider wieder runter und der Motor musste wieder an. Ich brauchte ein bisschen bis ich einschlafe konnte, weil Mini das Nasebohren für sich entdeckt hatte. Leider nahm sie dafür meine Nase und nicht ihre. Irgendwann schliefen wir dann ein und dann auch recht gut. Um 6 Uhr weckte mich die Sorge, dass unser Kapitän über Bord gegangen ist ohne das wir es merken. Ich sah ihn nicht im Cockpit, weil er es sich bei der ruhigen See oben auf dem Deck unterm Baum gemütlich gemacht hatte. Nachdem ich ihn dort sah, schlief ich beruhigt wieder ein. Bis um 9 Uhr durfte ich noch dösen, dann übernahm ich wieder und Fiete legte sich schlafen.
Nach 48 Stunden auf der Biskaya
Der dritte Tag war ein wunderschöner warmer Sommertag. Zum ersten Mal seit langem konnten wir kurze Hosen und Tanktops beim Segeln tragen. Wobei wir seit der Nacht immer noch nicht segelten, sondern den Motor laufen lassen mussten. Für die Motorstunden hatten wir einen Autopiloten, der das Steuern übernahm. Bisher war er recht zuverlässig gelaufen, aber seitdem wir auf der Biskaya unterwegs waren, hatte er schon zweimal plötzlich einen U-Turn hingelegt. Wir mussten also sehr aufmerksam bleiben, was den Kurs betraf. Gegen 11 Uhr wurde Fiete wieder wach. Wir betrachteten zusammen die Lage und dachten über eine Kursänderung nach, da wir nach aktuellem Stand mitten in der Nacht in A Coruña ankommen würden. Im Dunkeln einen unbekannten Ort anzusegeln, dass wollten wir vermeiden. Nach einigem hin und her entschieden wir uns dafür direkt nach Muxia weiter zu segeln. Das lag 47 Seemeilen südlicher von A Coruña entfernt, machte aber bei unserem Kurs nur 5 Stunden mehr fahrt aus. Wir würden also morgens gegen 10 Uhr dort ankommen. Bei der Fahrt die wir hinter uns hatten, kam es dann auf die paar Stunden auch nicht mehr an. Und letztendlich sah Muxia und die dortige Ria de Camariñas in unserem Revierführer sehr schön aus. Zudem lief unsere Biskayatour eh so gut, dass wir schon überlegt hatten den Rest der Zeit immer wieder hoch und runter zu fahren. Mehr Fahrzeit machte also nichts aus. Es war beschlossen: wir änderten den Kurs nach Muxia.
Nach dem Mittagessen legte ich mich noch mal hin. In der Zeit kamen die die ersten Delfine an diesem Tag vorbei. Ich hatte sie verpasst wie schade. Hoffentlich würden wir nochmal welche sehen. Am Abend saßen wir alle im Cockpit. Der Motor war endlich wieder aus und wir konnten segeln. Wir hatten allerdings keine Delfine mehr gesehen und ich vermisste sie. Ich sagte zu Fiete, das ich den Eindruck habe, die Delfine würden eher kommen, wenn man unter Motor fährt als wenn man segelt. Er verneinte und meinte, die kommen sowohl zu Motor- als auch zu Segelbooten. In dem Moment sprangen, wie zum Beweis, drei Delfine hinter ihm aus dem Wasser. Diesmal waren es sehr viele und sie begleiteten uns sehr lange. Sie waren überall: spielten vor unserem Bug, schwammen unterm und hinterm Boot und überall. Es war fantastisch! Wir konnten uns gar nicht sattsehen.
Wir beobachteten sie lange und freuten uns über jeden Einzelnen. Es sind so schöne Tiere. Knapp 45 Minuten durften wir dieses Schauspiel genießen. Es war unbeschreiblich schön. Fiete kam allerdings später ins Bett als geplant, da wir bis 21:15 Uhr die Delfine bei uns hatten. Meine Nachtschicht begann somit erst um 21:30 Uhr. In der dritten Nacht war mit mehr Verkehr auf dem Wasser zu rechnen, als in der Nacht zuvor, da wir schon relativ nah am spanischen Festland waren. Gegen 22:15 Uhr kamen noch mal drei Delfine vorbei, um mir gute Nacht zu wünschen. Ungefähr zeitgleich hielt einen riesiger Fracht direkten Kurs auf uns zu. Ich überlegte, ob ich Fiete wach machen sollte, besann mich aber, in den vergangen Monaten hatte ich gelernt, die erste Panik vor anderen Booten zu überwinden und erstmal zu schauen ob wir tatsächlich auf Kollisionskurs waren. Der Frachter war schnell, aber drehte so weit ab, dass sich unsere Wege nicht kreuzen würden. Also alles gut. Weit am Horizont im Sonnenuntergang sah er dann eigentlich ganz nett aus das Riesenteil. (Dank des Bruders meiner Freundin, der uns auf Marinetraffic stalkte, weiß ich jetzt auch das es die „Panforce“ war, die knapp 170 Meter länge hat.)
Ich beobachtete auch in dieser Nacht einen traumhaften Sonnenuntergang und während der letzten Sonnenstrahlen sprang am Horizont ein Delfin einen geradezu malerischen Bogen aus dem Wasser. Es war atemberaubend und unfassbar kitschig. So ein Bild kann man nicht wiedergeben, das muss man einfach selber gesehen haben! Gegen 23:15 Uhr sichtete ich Land. Beziehungsweise ich sah die Lichter vom Land, denn es war schon so dunkel, dass man kein Land mehr erkennen konnte. Und die spanischen Funksprüche verrieten, dass wir den richtigen Kurs gefahren waren. In der Nacht mussten wir dann leider noch mal den Motor anstellen. Nicht etwa weil kein Wind mehr da gewesen wäre, sondern weil die Batterie Alarm schlug. Damit sie wieder lud, wurde der Motor angeschmissen. Um 1:08 Uhr ging dann erneut der goldene Mond auf. Es war wieder eine sternklare Nacht und ich wurde fast nostalgisch, dass es die letzte Nacht auf der Biskaya war. Bis 3 Uhr früh genoss ich den Anblick, dann weckte ich Fiete für seine letzte Nachtschicht und versuchte zu schlafen. Gegen 5 Uhr wachte ich mal wieder panisch auf, aus Angst Fiete wäre über Bord gegangen. Obwohl ich wusste es war keine wirklich berechtigte Angst, da er sich sicherte, wenn er nach vorne ging, konnte ich nicht anders als aufzustehen und nachzugucken. Als ich ihn weder im Cockpit noch auf dem Deck sah, bekam ich richtig Panik. Ich schrie nach ihm. Da lugte er hinterm Schlauchboot hervor. Er saß vorne am Bug, wo er seit einer Stunde die uns begleitenden Delfine beobachtete. Ich war so erleichtert und müde, ich fragte ihn gar nicht was er tat und ging wieder schlafen. Diesmal schlief ich besser. Am Morgen erzählte er mir dann, dass die Delfine uns zwei Stunden in der Nacht begleitet hatten und das er fast angefangen hätte zu heulen, weil es so schön war: Delfine am Bug im Mondschein und hinter uns der Sonnenaufgang! Es muss unbeschreiblich gewesen sein. Ich ärgerte mich doch in bisschen, in der Nacht nicht bis zum Bug vorgegangen zu sein. Naja, man kann aber auch nicht alles haben.
Nach 74 Stunden und 374 zurückgelegten Seemeilen auf der Biskaya liefen wir um 10:30 Uhr wie geplant in Muxia ein. Uns wurde beim Anlegen von der Hafenmeisterin geholfen, darüber waren wir sehr glücklich, weil wir schon ziemlich erledigt waren. Vor allem waren wir aber mega happy, diese große „Hürde“ so gut gemeistert zu haben. Unglaublich wie viel Sorgen wir uns vorher wegen der Biskayaüberquerung gemacht hatten. Monatelang bevor wir überhaupt in der Nähe der Biskaya waren, hatte ich mit großer Ehrfurcht und Respekt an diesen Törn gedacht. Selbst als wir schon länger unterwegs waren, hatten wir immer noch starke Zweifel, ob wir das schaffen würden. Letztendlich hatten wir weniger Wind als vorhergesagt, dafür hatten wir aber wirklich kaum Wellen und wir haben unfassbar viele Delfine gesehen. Es war viel weniger anstrengend als wir gedacht hatten (der Törn von Guernsey in die Bretagne war viel anstrengender), unsere Vorbereitungen waren aber auch absolut hilfreich für den Trip. Außerdem hatten wir das Glück, dass unsere Kinder das fantastisch mitgemacht haben. Ich war froh, dass etwas wovor ich so viel Angst hatte, zu solch einer positiven Erfahrung geworden war. Ich bin mir sicher dass die Biskaya für immer in meinem Gedächtnis bleiben wird. Es war einer der schönsten Törns, die wir bisher gemacht haben. Und jetzt: Viva España!
8 Kommentare
Henning
Hallo ihr Helden,
was für ein toller Bericht! Ich war nicht dabei, hab mich aber so gefühlt beim Lesen. Ich bin sehr gespannt wie es wann weitergeht.
Julie
Schön das wir dich „mitnehmen“ konnten 😉 Wir sind ebenfalls gespannt und halten euch natürlich auf dem Laufenden!
Sylvie Nautré
Bravo. J’ai tout lu d’un trait. C’est passionnant et émouvant. Je préfère que cela soit passé même si c’était très beau. Merci.
Julie
Merci Mam, je suis contente si ca t’as plus! Bisous
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Susanne Huck
Vielen Dank für diesen tollen Bericht über eure Biscaya Überquerung . Er hat mir mit für die eigene Überquerung in der nächsten Woche gemacht. Alles Gute der ganzen Familie
Susanne
Julie
Liebe Susanne,
das freut mich sehr. Wie ist denn eure Überquerung gewesen?
Beste Grüße
Julie