6. Holy Holland
Wir waren am 1. Mai 2019 von Vlieland nach Den Helder gesegelt. Den Helder hatte einen großen Vorteil: es gab kostenlose Duschen solange und so warm man wollte. Ebenso gab es die Möglichkeit kostenlos die Wäsche zu waschen und zu trocknen. Allerdings hatte es auch einen großen Nachteil: Der Hafen bot keine weiteren Serviceeinrichtung oder Einkaufsmöglichkeiten, keinen Spielplatz und wir waren umringt von Militärschiffen und Offizieren, da fühlten wir uns nicht so richtig wohl und entschieden erneut weiterzuziehen.
Wir waren zuerst unentschlossen wohin wir als nächstes segeln sollten. Vom Hafen Ijmuiden hatten wir von jemandem gehört, dass es dort nicht besonders schön sein sollte. Andererseits war der nächste Hafen nach Ijmuiden der Hafen von Scheveningen und der war wieder so weit entfernt, dass wir den ganzen Tag unterwegs gewesen wären. Nach den 16,5 Stunden nach Holland, wollten wir aber nicht wieder so einen langen Turn hinlegen. Der Hafen von Ijmuiden war also unser nächstes Ziel, da er mit 36 Seemeilen nur ein paar Stunden von Den Helder entfernt lag.
Ich entschied meine Rolle als Kapitänin beizubehalten und wieder das Kommando zu übernehmen. Bei diesigem Wetter ging es dann los. Es war das erste Mal, dass wir bei solchem Wetter segelten und ich fand es erstaunlich welch einen Unterschied es macht, wenn man klare oder eingeschränkte Sicht hat. Auf dieser Fahrt entschieden wir dann auch, dass wir doch noch ein Radar kaufen würden, um auch bei nebligem Wetter bestens ausgerüstet zu sein. Die Fahrt nach Ijmuiden war leider wieder etwas kalt, aber wir kamen trotzdem gut an.
Dort angekommen mussten wir erstmal zum Strand, der zum Glück sehr groß und einladend war und die Sammelleidenschaft der Großen unterstütze: Muscheln gab es da zu genüge. Außerdem eine Menge Kiter zum Gucken und kostenlose Trampoline. An diesem Abend gönnten wir uns dann auch ein gutes chinesisches Restaurant im Hafen. Endlich mal regionale Küche genießen…
Aufgrund der Wetterlage entschieden wir einige Tage vor Ort zu bleiben beziehungsweise die Umgebung zu besuchen. Haarlem und Amsterdam waren nicht weit vom Hafen Ijmuiden entfernt und mit einem Bus erreichbar. Fiete kam auf die großartige Idee eine Nacht in Haarlem zu bleiben, um die Stadt entspannt besichtigen zu können. Leider hat uns die einzige Airbnb Option abgesagt, aber wir fanden noch ein einigermaßen bezahlbares Hotelzimmer im Zentrum von Haarlem. Hotels in Holland sind wirklich teuer! Den Tag vor unserem Haarlembesuch verbrachten wir sehr entspannt mit unserer neuen Lieblingsaufgabe klar Schiff machen, Wäsche waschen, Muscheln sammeln.
Am Samstagvormittag, den 4. Mai 2019, ging es dann mit dem Bus in Richtung Haarlem. Wir brauchten ungefähr 45 Minuten. In Haarlem angekommen ging es erstmal zum Großen Markt Platz, wo tatsächlich auch Markt war. Wir nutzten die Gelegenheit, um ein paar schöne Stücken Käse zu kaufen – da der Käse vom Berliner Käsedealer unseres Vertrauens bereits alle war. Einen schönen Mittagssnack (diesmal wirklich regionalen Kibbeling) gabs auch noch und dann checkten wir in unser Hotelzimmer ein. Wir ließen unsere Sachen dort und machten uns auf den Weg die Stadt zu erkunden. Haarlem hat eine wunderschöne Altstadt. Die Stadt ist älter als Amsterdam und bietet mit seinen kleinen Häusern an idyllischen Grachten, kulturellem Angebot, tollen Läden und sehr guten Restaurants alles was das touristen Herz begehrt.
Wir spazierten durch die Straßen und genossen die schöne Atmosphäre der Stadt und die Freundlichkeit der Einwohner. Es gefiel uns dort so gut, dass wir überlegten, ob man sich nicht in Haarlem niederlassen sollte. Die Immobilienpreise haben es allerdings ganz schön in sich…Wir verbrachten den ganzen Tag draußen an verschiedenen schönen Orten in Haarlem und gingen am Abend sehr gut im „La Forca“ italienisch essen.
Den nächsten Tag nutzen wir für ein paar Museumsbesuche (es lebe die ICOM-Karte). Darunter des Tylers Museum und das Franz Hals Museum für moderne Kunst sowie für niederländische Genremalerei. Vor allem das Franz Hals Museum für klassische Kunst ist sehr empfehlenswert. Wir hatten noch eine ausgezeichnete Teatime am Nachmittag, bevor wir dann am Abend den Bus wieder zurück zum Hafen nahmen.
Zurück auf dem Boot checkten wir natürlich die Wetterverhältnisse für den nächsten Tag. Dabei mussten wir feststellen, dass die Bedingungen nicht gut genug waren um weiterzufahren. Dementsprechend verbrachten wir dann noch den nächsten Tag im Hafen und ließen die Eindrücke des Wochenendes ausklingen.
Am Dienstag, den 6. Mai 2019, ging es dann endlich weiter. Wir wollten nach Scheveningen, da es dort sehr schön sein sollte und freuten uns dementsprechend auf die neue Etappe. Kaum waren wir raus aus dem Hafen, wurden wir auch schon ordentlich hin und her geschüttelt. Wir hatten zwar keine hohen Wellen, dafür aber sehr gegeneinander und ineinander fließende Wellen und Tine schaukelte ordentlich rum. Leider ging es der Großen relativ schnell schlecht und sie erbrach sich. Es ging komplett alles in ihre Jacke, was eine neue Herausforderung in solch einer Segelsituation mit sich brachte. Da ich während des Segelns nicht unter Deck gehen kann, musste Fiete die Situation alleine managen. Das Tat er dann auch sehr souverän und brachte alles unter Kontrolle. Das Kind wurde vorübergehend mit Feuchttüchern gewaschen, ins Bett gepackt und schlief dann bis zu unserer Ankunft in Scheveningen durch. Da ich am Steuer war, ging es mir gut. Etwas Sorgen machten wir uns schon, dass es der Großen so schlecht ging. Bisher hatten wir immer das große Glück, dass sie unsere Segeltouren super gemeistert hatte und Seekrankheit eher mein Problem war…
Jetzt kamen wir aber erstmal in Scheveningen an. Wir wuschen gleich eine Wäsche und das Kind, es ging ihr wieder prächtig, und ließen den Abend gemütlich ausklingen. Wir hatten geplant einige Tage in Scheveningen zu bleiben, weil wir uns dorthin das bestellte Radar haben schicken lassen. Also nutzen wir unsere Zeit für ausgiebige Spielplatz und Den Haag Besuche.
Den Haag ist eine wunderschöne Stadt, mit vielen Sehenswürdigkeiten. Wir waren beim Friedenspalast, selbstverständlich beim Binnenhof und ich schaffte es sogar mit den beiden Kindern das Museum Mauritshuis zu besuchen, worüber ich sehr glücklich war. Es ist zwar ein „Klischee“-Kunstwerk, aber endlich sah ich das Gemälde „Das Mädchen mit den Perlenohrring“ von Jan Vermeer. Wenn man solange Kunstgeschichte studiert hat, ist das schon ein Ereignis. Obwohl mir das Gemälde „Ansicht von Delft“ von Vermeer im selben Raum fast besser gefallen hat.
Am dritten Tag bekam Mini leider etwas Fieber, sodass wir dann einen Tag komplett auf dem Boot verbrachten. Ihr zweiter Zahn kam raus und darunter hatte sie ziemlich zu leiden. Die Große bekam in der Zeit ihren ersten Motorbootunterricht und wollte gar nicht mehr aufhören.
Den letzten Tag in Scheveningen nutzen wir dann noch für eine weitere Tour in Den Haag. Da Fiete bei unserem ersten Ausflug auf dem Boot geblieben war, um unser neues Radar einzubauen, hatte er die Stadt noch nicht besichtigt. Zusätzlich fuhren wir an dem Tag noch zum Pier von Scheveningen. Dort konnte man mit dem 50 Meter hohen Riesenrad fahren, was die Große und Fiete gleich ausprobierten. Ich mag Höhe nicht, daher blieb ich lieber an Land. Am Abend planten wir unsere weitere Route.
Wir entschieden uns gegen einen Zwischenstopp in Rotterdam, was zwar ebenfalls eine sehr schöne Stadt sein soll, wir hätten aber sehr weit in das Landesinnere fahren müssen, um den Hafen zu erreichen. Da wir so viel Zeit nicht aufwenden wollten und es uns gen Süden zog, entschieden wir uns erneut für eine längere Tour. Wir wollten die Niederlande verlassen – so schön es auch war – um nach Belgien zu segeln. Wir hatten 60 Seemeilen vor uns, also ungefähr 10 bis 12 Stunden Fahrt. Da am späten Nachmittag, der Wind stärker werden sollte, wollten wir früh los. Wir stellen uns den Wecker auf 4:45 Uhr. Um halb sechs legten wir ab. Es war gerade Sonnenaufgang und wir hatten einen wunderschönen Start.
Es war so traumhaft, dass ich sogar überlegte, ob es sich vielleicht doch lohnt Frühaufsteherin zu werden. Wir schaukelten durch die Gezeitenströme wieder ordentlich hin und her und teilweise waren Böen von 13 Meter/ Sekunde dabei, aber diesmal ging es allen gut. Dank meiner mittlerweile routinierten Funkkenntnisse, hatten wir auch eine problemlose Einfahrt in den Hafen. Wie geplant kamen wir gegen sieben Uhr in Zeebrügge an, wo uns ein sehr netter Hafenmeister mit offenen Armen empfing. Die Sonne schien, wir genossen ein alkoholfreies Bier im Cockpit und waren sehr glücklich darüber, in einem neuen Land zu sein. Die belgische Flagge wehte am Mast und wir gingen noch ein gutes Abendessen genießen. Der Abend war perfekt.