5. Höllentrip nach Holland
Obwohl Norderney sehr schön war, hielten wir uns nicht lange dort auf. Vielleicht angetrieben vom herbeigewünschten Klimawechsel, vielleicht auch durch den Wunsch Deutschland zu verlassen und weiter zu kommen, entschieden wir schnell weiter zu segeln. Viele Möglichkeiten hatten wir nicht, weil die meisten anderen Häfen auf unserem Weg zu geringe Niedrigwasserstände hatten, als das wir mit der Tine dort anlegen konnten. Wir wollten nicht ausprobieren wie die Tine sich in den Schlick legt. Daher blieben nur Borkum – dorthin wollten wir nicht, weil man ca. 2 Stunden segeln musste, um den Hafen an der Landinnenseite der Insel zu erreichen – und Vlieland in Holland. Also auf nach Vlieland. Aufgrund der Tidenstände in den Häfen und der Wetterlage, wollten wir am nächsten Tag wieder um 5 Uhr lossegeln. Es waren um die 80 Seemeilen bis dorthin. Wir gingen früh ins Bett und wieder mal war es Fiete der alleine um 5 Uhr aufstand und uns raus aufs Meer segelte. Obwohl wir am Abend einige Vorbereitungen getroffen hatten, lief der Morgen leider nicht so reibungslos wie geplant ab. Die rumfliegenden Sachen im Bootsinneren hatten uns geweckt und wir hatten eine starke Schräglage. Das Geschaukel führte bei mir dann auch relativ schnell zu Übelkeit und die Kinder wollten mit frischer Windel und Frühstück versorgt werden. Das heißt der Törn wurde ziemlich anstrengend für uns alle! Für Fiete, weil er sich die ganze Zeit um uns kümmern und größtenteils das Segeln übernehmen musste, für mich weil ich mich um die Kinder kümmern musste, es unter Deck aber nicht lange aushielt ohne das mir übel wurde. Durch die starke Schräglage und das unangenehme Wetter an diesem Tag war es aber auch nicht wirklich möglich die Kinder an Deck zu nehmen. Das heißt es war ein ziemliches hin und her zwischen Kabine und Cockpit. Fiete hoch, Fiete runter, ich entweder an der Pinne oder im Bett. Die 16,5 Stunden, die wir bis nach Vlieland segelten waren ein ziemlicher Höllentrip. Ich kam vermehrt ins Zweifeln, wie weit wir es wohl schaffen würden, wenn ich immer wieder an Übelkeit leide. Dabei hatte ich doch entschieden dass ich nicht seekrank werde! Wie weit würden wir wohl kommen wenn es so weiter ging?
Nach 91 Seemeilen, liefen wir dann gegen 21:30 Uhr im Hafen von Vlieland ein. Dieser Moment war dann doch wieder sehr schön. Zum einen natürlich weil wir angekommen waren und der Törn ein Ende hatte, zum anderen war das Licht um die Uhrzeit wunderschön und wir hatten ein super Anlegemanöver. Fiete konnte erstaunlicherweise immer noch stehen und war bemerkenswert fit für diesen Tag. Nach einem kurzen Bier gingen wir dann aber doch gleich schlafen und schliefen auch gleich ein.
Den nächsten Tag, nutzen wir dann zum Ausruhen im Vlieländer Hafen und um erneut klar Schiff zu machen. Es musste schon wieder Wäsche gewaschen werden, wir mussten gewaschen werden und die Große musste mal richtig rennen und toben. Sie hatte den langen Törn super gemeistert und war sehr brav, da mussten wir mal Ausgleich schaffen. Wir waren also lange auf dem Spielplatz, am Strand zum Muscheln sammeln und Pferde gucken. Das Highlight des Tages war dann aber auf jeden Fall das Krebsangeln am Hafensteg. Alle Kinder im Hafen machten das scheinbar und nachdem sie das einige Male lange beobachtet hatte, wollte sie natürlich auch Krebse angeln. MacGyvermäßig bastelte Fiete aus einer Schnur, einem Schäkel und einer Wäscheklammer eine Krebsangel. An die wurde etwas Salami geklemmt. Kescher und Eimer untern Arm und los gings. Ich hätte ja nicht gedacht, dass das klappt, aber nach 30 Minuten hatten wir schon vier Krebse geangelt. Die Große war so begeistert, sie wollte gar nicht mehr aufhören. Am Ende des Abends hatten wir über zehn Krebse gefischt.
Wer sich fragt was wir damit gemacht haben, wir haben sie natürlich nicht
gegessen… sie wurden brav wieder ins Wasser gelassen, damit sie am nächsten Tag
von den nächsten Kindern geangelt werden konnten.
Die Große wollte gar nicht mehr weg von Vlieland und es war auch wirklich schön dort. Allerdings kamen immer mehr deutsche Klassen in riesigen alten Schiffen an, intensiv das alkoholische Angebot des Supermarktes nutzten. Vermutlich aus Enttäuschung darüber, dass es auf den holländische Inseln keine Coffeeshops gibt… Da das Wetter gut war und wir noch immer den Drang hatten weiterzukommen, machten wir die Leinen los und segelten weiter. Nächstes Ziel: Den Helder.
Da ich beim letzten Törn ziemlich gelitten hatte, hatte ich entschieden diesmal das Kommando zu übernehmen. Kapitänin Julie setzte also Segel, um die 34 Seemeilen nach Den Helder zu segeln. Zwischendurch gab es ein paar Abweichungen vom Kurs und das Experimentieren mit der Segelstellung hat auch noch nicht einwandfrei geklappt, aber mir ging es den ganzen Törn über wunderbar. Ich kam sogar meinem Kindheitstraum, Sängerin zu werden näher, da ich richtig kreative Sailorgirl-Songs dichtete… Außerdem stellte ich auf diesem Törn fest, dass ich segeln und stillen kann! Das nenne ich ergebnisorientiertes Multitasking!
Nach sieben ein halb Stunden (vermutlich wären wir ohne meine Experimente mindestens eine Stunde schneller gewesen) liefen wir in Den Helder ein. War vorher alles glatt gelaufen, so war das Anlegen ganz schön heikel. Zunächst bemerkten wir in der Hafeneinfahrt den starken Sog der Strömung. Die grüne Tonne kam auf einmal rapide näher. Als wir gut gegengesteuert hatten kam dann das Anlegemanöver…leider viel zu schnell und bei dem Versuch aufzustocken, setzte ich Tine mit dem Heck gegen einen Poller. Es traf zum Glück nur die Badeleiter und es war auch nicht so doll, aber meine anfängliche Segeleuphorie war deutlich geschmälert. Ich denke ich muss doch noch etwas üben… Vermutlich wird sich die Gelegenheit demnächst ergeben.
2 Kommentare
Monika
Der „Höllentrip“ klingt nach einer Trainingseinheit für die Überquerung der Biskaya 😉
Supiiii!
Julie
Ja, da hast du bestimmt recht und seit dem haben wir die Rollen hier an Board einfach anders aufgeteilt, das läuft gleich viel besser 😉